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Channel: Wirtschaft – Jacqueline Badran
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Kolumne #Korrigendum: Von wegen, „die meisten Alten haben es nicht nötig“

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Publiziert in der Sonntagszeitung, 18.2.2024

https://www.tagesanzeiger.ch/13-ahv-rente-jacqueline-badran-entkraeftet-vorwurf-nummer-1-595800326364

 

Von wegen, «die meisten Alten haben es nicht nötig»

«Es ist schlicht unmöglich, dass 80 Prozent die 13. AHV-Rente nicht nötig haben.»
«Es ist schlicht unmöglich, dass 80 Prozent die 13. AHV-Rente nicht nötig haben.»
Foto: Keystone

They did it again. Diese Woche. Ausgleich der «warmen Progression». Gemeint: Bundessteuersenkungen bei Reallohnerhöhung. Steuersubventionen. Mit der Giesskanne. An die, «die es nicht nötig haben». Mindestens 800 Millionen Franken jährliche Steuerausfälle. Ohne mit der Wimper zu zucken. Egal, ob die Bundesfinanzen angespannt sind.

Sie tun es seit Jahrzehnten. Steuersubventionen wahlweise ans Kapital oder an die Spitzenverdiener zu verteilen. Erhöhung Kinderabzüge (an der Urne wuchtig versenkt), Erhöhung Versicherungsprämienabzüge (in letzter Sekunde im Parlament versenkt). Dreimal Unternehmenssteuer-Senkungs-Pakete mit beispielsweise Abschaffung Kapitalsteuer auf Bundesebene, steuerfreie Dividendenausschüttung aus Kapitaleinlagereserven. Milliarden an Steuersubventionen. Jährlich.

Nutzniesser sind die Grossaktionäre, deren Dividendenausschüttungen zu 85 Prozent ins Ausland fliessen. Steuersubventionen an Blackrock, J.P. Morgan und Co. also. Allein die 13 Senkungen der Quasi-Mehrwertsteuer auf Finanzprodukte (Stempelsteuer) kostet jährlich 4,4 Milliarden. Da kann man das Geld buchstäblich zum Fenster rauswerfen. Ohne Not. Man sprach von dynamischen Effekten. Nachgewiesen hat man sie nie. Im Gegenteil.

Methodisch groteske Studie

Mitzuverantworten haben diese Giesskannen-Steuersubventionen an die, «die es nicht nötig haben», just jene Bundesräte, die nun davor warnen, man könne sich die 13. AHV-Rente nicht leisten. Mitte-rechts-Parlamentarier, die Gleiches behaupten, haben Vorstösse unterstützt, die eine Erhöhung des Steuerabzugs für Einzahlungen in die dritte Säule verlangen und Nachschussmöglichkeiten. Dies, obwohl nur gerade 14 Prozent der Steuerpflichtigen jetzt schon den Maximalabzug von rund 7000 Franken machen. Wieder würden nur die Spitzenverdienenden subventioniert. Da fragt man sich schon, welchen Begriff Bundesbern und die Medien davon haben, wer was nötig hat.

Kolportiert wird, dass 80 Prozent der Rentenbezüger die 13. AHV nicht nötig haben. Unwidersprochen von den Medien. Schliesslich handelt es sich bei der Behauptung um eine methodisch groteske «Studie» des Versicherers Swisslife, der die AHV hasst wie der Teufel das Weihwasser: Je weniger AHV, desto mehr kann in die 2. Säule und 3. Säule fliessen, was für ihn ein Milliardengeschäft ist. Man müsste doch meinen, die Medien würden diese Behauptung mit den 80 Prozent kritisch einordnen. Dafür sind sie doch da.

Fakt ist, dass die alten Rentenbezüger noch eine Verzinsung von mehr als 4 Prozent auf ihrem Pensionskassenkapital hatten (was einen enormen Effekt auf die Rentenhöhe hat) und einen deutlich höheren Umwandlungssatz. Fakt ist, dass die mittlere Rente aus AHV und Pensionskasse der neu eintretenden Rentner 3500 Franken beträgt. (Und da sind diejenigen, die keine Pensionskassenrente haben, also vor allem Frauen, nicht mal reingerechnet.) Es ist also schlicht unmöglich, dass 80 Prozent «es nicht nötig haben». Sondern eher maximal 20 Prozent.

Ohne Grosseltern keine Wirtschaft

Solch unverantwortliches und unsachliches Argumentarium verwirrt die Leute nicht nur, sondern macht vielen Rentnerinnen ein schlechtes Gewissen. Sie wollten doch nicht die «Jungen belasten» zu ihren Gunsten. Es ist diejenige Rentnergeneration, welche die Schulen für die Jungen finanziert, die beste Infrastruktur der Welt aufgebaut und Fonds zu deren Sicherung alimentiert hat. Zudem leistet sie Kinderbetreuungs- und Gemeinnützigenarbeit in Milliardenhöhe. Ohne unsere Grosseltern würde unsere Volkswirtschaft zusammenklappen. Dafür sollten wir ihnen danken und nicht denen ein schlechtes Gewissen machen, die den Generationenvertrag schon immer eingehalten haben.

Die milliardenhohen Giesskannen-Steuersubventionen an die Kapitaleigentümer, die es definitiv nicht nötig hatten, segelten unter den Titeln «Belebung des Kapitalmarkts» (Aufweichung Lex-Koller), «Stärkung des Eigenkapitalmarkts» (Teilabschaffung Stempelsteuer), «Stärkung des Fremdkapitalmarkts» (Teilabschaffung Verrechnungssteuer). Wisst ihr, was? Jetzt beleben wir doch für einmal den «Rentnerinnen-Markt», wo der volkswirtschaftliche Nutzen evident ist, unter dem Titel «Stärkung der Kaufkraft» von Millionen von Rentnern im Land. Jetzt sind nämlich für einmal die normalen Menschen dran, die ihr Leben lang für ihren Lohn hart arbeiten mussten.

 

 

 


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